Gmünd anno dazumal

Das von mir verfasste Buch „Gmünd anno dazumal“ ist im Jahre 1980 im Verlag „NÖ Pressehaus Druck und Verlagsgesellschaft mbH, St. Pölten, erschienen und seit Jahren vergriffen.
 

Der Grenzstadt Gmünd im Nordwesten des Waldviertels gab das Gemünde der Braunau in die Lainsitz den Namen, die Gründung der Stadt aber liegt im Dunkeln. Erstmals erwähnt wird das Gemünde in einer am 1. Juli 1179 zu Magdeburg ausgestellten Urkunde Kaiser Friedrichs I.; sie schlichtete die Grenz-streitigkeiten, welche die Kolonisation des Nordwaldes durch die Kuenringer ausgelöst hatte.

Von einer Stadt ist darin allerdings nicht die Rede. Die Gründung der Stadt Gmünd wird heute dem Kuenringer Hadmar II. (1140-1217) zugeschrieben, war er doch als bedeutendster Spross seines Geschlechts der eigentliche Kolonisator des Lainsitzgebietes. Schloss und Stadt Weitra (1205), die Feste Harmannstein auf dem Johannesberg (1162) und die Romanische Kirche in Alt-Weitra gehen auf seine Initiative zurück. Erhärtet wird diese These durch eine Notiz im Stiftungsbuch des Klosters Zwettl, das Hadmar II. bescheinigt, neben anderen Besitzungen im Waldviertel auch Gmünd besessen zu haben.
In den folgenden Jahrhunderten erfüllte Gmünd die Aufgabe einer Grenzfeste. Schützend umzog die Stadtmauer – Reste davon sind noch erhalten – das Gemeinwesen, das von Lainsitz und Braunau aufsteigende, zum Teil sumpfige Gelände und der Stadtgraben begünstigten die Stadtverteidigung, konnten vor Einfällen aber nicht immer bewahren. Böhmen steckten 1278 die Kirche in Brand, später verwüsteten die Hussiten die Stadt. Mit Niklas Spanovsky machte der Ungarnkönig Matthias Corvinus einen Mann zum „Hauptmann von Gmünd", der von dem Privileg der Steuereintreibung – auch für seine eigene Tasche – reichlich Gebrauch machte und es verstand, sich nach des Ungarnkönigs Tod auch bei seinem neuen Herrn, Maximilian I., Liebkind zu machen.
Gmünd überstand dieses Joch genauso wie die Wirren der Reformation und der Gegenreformation und ließ sich weder durch die Schrecken des 30jährigen Krieges noch durch die Pest und den verheerenden Brand von 1763 unterkriegen. Die Stadt lebte ihr Leben wie viele andere Waldviertler Städte auch: Als das einer bescheidenen Kleinstadt mit Ackerbürgern und kleinen Handwerkern.
Mit der Eröffnung der Franz-Josephs-Bahn auf der Strecke Wien–Gmünd–Eger am 1. November 1869 und der Inbetriebnahme des Bahnverkehrs bis Prag zwei Jahre später (14. Dezember 1871) fand Gmünd Anschluss an den Weltverkehr und an das Wirtschaftsleben der Donaumonarchie.
Man muss den Stadtvätern, die Gmünd damals verwaltet haben, neidlos zugestehen, große Umsicht bewiesen und die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: Die Stadt blühte auf, erhielt Bezirkshauptmannschaft und Bezirksgericht, Schulen wurden gebaut, die Wasserleitung verlegt.
Als Besonderheit in dieser Zeit aber galt der 0-Bus. Militärische Überlegungen – man brauchte genügend Platz für Verlade- und Verschubeinrichtungen – lagen der Entscheidung zugrunde, den Hauptbahnhof zwei Kilometer außerhalb der Stadt zu errichten. Für die Gmünder, wollten sie eine Bahnreise unternehmen, bedeutete dies einen langen Fußmarsch auf schlechten Straßen. Die Stadt verfügte aber über ausreichende elektrische Energie, sodass man sich zur Anschaffung eines schienenlosen, elektrisch betriebenen Busses entschloss, der 1907 sowohl den Personenverkehr vom Postamt am Stadtplatz Nr. 4 bis zum Bahnhof aufnahm als auch aufgrund eines mit der Postdirektion geschlossenen Vertrages Güter beförderte. 1916 musste die Linie wegen fehlender Betriebsmittel eingestellt, 1918 die Kupferoberleitung dem k. k. Militärkommando abgeliefert und 1921 (der Bahnhof lag seit Kriegsende im Ausland) die Wagen an die Gemeinde Wiener Neustadt verkauft werden.Eine Flüchtlingswelle überschwemmte nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges die damals 2.600 Einwohner zählende Stadt. Auf Beschluss der k. k. NO Statthalterei wurde an der Franz-Josephs-Bahn bei Gmünd ein Lager für ruthenische Flüchtlinge errichtet. In wenigen Wochen entstanden die Barackenunterkünfte, die bis zu 40.000 Flüchtlinge aufnehmen mussten: Eine Stadt für sich, wie sie in ihrer Grundkonzeption heute nicht moderner gebaut werden könnte, die aber dennoch für Zehntausende den Untergang bedeutete. Nach Kriegsende wurde das Lager allmählich liquidiert, die Überlebenden kehrten in ihre Heimat zurück oder wanderten nach Übersee aus. Aus dem Lager aber entwickelte sich die Neustadt von Gmünd.
Vorher hatte es allerdings nochmals Flüchtlinge aufzunehmen, diesmal deutschsprachige. In die Baracken zogen die am 31. Juli 1920 durch die Tschechenbesetzung vertriebenen Einwohner der 13 Gemeinden des Bezirkes ein, die 1938 noch einmal an Österreich fallen sollten.
Der Zweite Weltkrieg brachte dann das endgültige Aus. Der amerikanische Bombenangriff am 23. März 1945 auf den Hauptbahnhof forderte zahlreiche Todesopfer und richtete schwere Verwüstungen an, der 23. Mai 1945 brachte die neuerliche Besetzung der 13 Gemeinden. Über Nacht musste die Stadt wieder 5.000 Flüchtlinge beherbergen, rund die Hälfte davon sollte darin für immer ein neues Zuhause finden.


 

 

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